Denn: Eine Stadt, die ihr Theater schließt, gibt sich selbst auf.

Samstag, 3. Dezember 2011

Artikel von Karl-Heinz Reiche

Quelle: Sächsische Zeitung vom 3. Dezember 2011
Ist die Theaterfusion an allem schuld?
Von Karl-Heinz Reiche


Seit geraumer Zeit wird den Bürgern Zittaus und denen des südlichen Landkreises in Bezug auf ihr Theater ein besonderes politisches Schauspiel geboten. Die Spieler: Die Stadt Zittau, der Landkreis Görlitz, die beiden Stadttheater und der Kulturraum. Wir alle wissen: Die Kassen sind leer und um die Demographie ist es auch nicht gut bestellt, die Region altert rapide. Zukunftsfähige Strukturen müssen geschaffen werden und das unter enormem Spardruck.

Die (vermeintliche) Lösung: Die Fusion der beiden Stadttheater in Zittau und Görlitz sowie später eine weitere Fusion mit Bautzen. Nur, wie sich der Landkreis die Realisierung dieses Prozesses vorstellt und inwieweit sich die politisch Verantwortlichen des Südens bzw. der Stadt Zittau dabei einbringen, das wirft, wie ich finde, einige Fragen auf:

1.Ist es angesichts des dichter besiedelten Südens und der Größe des Landkreises, ähnlich dem Saarland, sinnvoll, eine Zentralisierung von kulturellen und verwaltungstechnischen Strukturen ausschließlich gen Görlitz anzustreben?

Es sei an dieser Stelle daran erinnert, dass die vom Land Sachsen zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel (Kulturraum), sich über einen Einwohnerschlüssel errechnen. Es kann nicht sein, dass die Bürger von Zittau und Umgebung die ihnen zustehenden Mittel zukünftig, widerstandslos, nach Görlitz abtreten. Es ist menschlich verständlich, dass das Görlitzer Theater und der aus ihm kommende Intendant versucht „seine“ Mitarbeiter zu schützen und „sein“ Haus auf Zukunftskurs zu bringen, allerdings (so sieht es zumindest aus) auf Kosten des Zittauer Theaters. Proportional ging ja schon immer der größere Teil nach Görlitz, aufgrund des deutlich kostenintensiveren Musiktheaters.

2.Wäre es nicht sinnvoll gewesen, bei einer Fusion dieser Größenordnung, zuerst ein akzeptiertes und transparentes Konzept zu erarbeiten und in diesem Kontext die Leitungspositionen der Theater neu auszuschreiben?

Nach meiner Erfahrung und in der mir zugänglichen Literatur zum Thema Fusionen, Zusammenwachsen von Firmenkulturen oder kurz Changemanagement ist nachzulesen, dass es bei derartigen Prozessen zu atmosphärischen Störungen kommen muss, die (in der Mehrheit aller Fusionsfälle!) zu einem Scheitern der Fusion führen. Warum? Weil Menschen die Eigenschaft haben, sich gegen Veränderungen zu wehren und im Zweifelsfall andere, sofern sich welche finden, die Zeche zahlen lassen. Es sei denn man tut etwas dagegen. Warum man glaubt, dies mit dem bestehenden Leitungspersonal, welches in einem solchen Prozess in unauflösliche Loyalitätsprobleme kommen muss, bewältigen zu können, ist das Geheimnis der dafür politisch Verantwortlichen. Begonnen wurde jedenfalls mit der gefühlten Degradierung des Zittauer Intendanten, die nun mit der schrittweisen Demontage des ganzen Hauses fortgeführt wird. Sehen so eine zeitgemäße Führung und eine gelungene Kommunikation aus? Das notwendige Vertrauen für einen derartigen Prozess ist nur mit Transparenz nach innen und außen zu erlangen.

3. Und zum Schluss: Wann kommt die Stadt Zittau mit ihrem Oberbürgermeister aus der Defensive und vertritt gemeinsam mit den Kreistagsabgeordneten aus den südlichen Regionen die Interessen ihrer Wähler ?

Das vergleichbare aktuelle Beispiel des Theaters Rudolstadt in Thüringen zeigt, dass engagierte Bürger und eine mutige Politik auch in finanziell schwierigen Zeiten, Unglaubliches bewegen können. Hier wurde gerade durch eine erhebliche Erhöhung des Eigenanteils das sparwütige Land gezwungen, seinen Anteil nicht nur nicht abzusenken, sondern sogar zu erhöhen. Übrigens wurde hier schon vor Jahren eine nicht gut funktionierende Fusion mit dem Theater Eisenach wieder rückgängig gemacht. Freilich sind wir in Zittau von solchen Kunststücken weit entfernt, weil die Stadt schon unter dem alten Oberbürgermeister befunden hat, dass eine Theater GmbH auch gut ohne sie auskommt. Fragen über Fragen die, wie ich finde, immer lauter diskutiert werden müssen.


1 Kommentar:

  1. http://www.goerlitzer-anzeiger.de/goerlitz/politik/7526_zittauer-schueler-mit-aufruf-an-alle-schueler-des-landkreises-goerlitz--theater-zittau-muss-bleiben-.html

    ----> Ein Artikel im Zittauer Anzeiger.

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